Der Niveaudämpfer - das Unbekannte Wesen

  • Ich lese hier immer wieder Mutmaßungen und Aussagen zum Aufbau und der Funktion der Nivauregulierung durch die "Federzylinder" wie der Daimler die Dämpfer im S210 aus unerfindlichen Gründen genant hat. Weshalb es für mich unerfindlich ist klärt sich hoffentlich im Folgenden. Ich nenne sie im Folgenden "Dämpfer" oder "Niveau-Dämpfer"


    Dinge die ich bisher so gelesen habe:
    - Das sind nur Hydraulikstempel
    - Die Dämpfung findet im Bullenei (Hydrospeicher) statt
    etc.


    Ich hingegen war schon immer der Meinung dass es sich um einen normalen (Einrohr)Stoßdämpfer mit ausgelagertem Ausgleichsbehälter handelt. Ein normaler Einrohrstoßdämpfer (umgangssprachlich auch Gasdruckdämpfer genannt) ist wie folgt aufgebaut (Bild hier geliehen)

    1 - Kolbenstange
    2 - Dichtungssystem der Kolbenstange
    3 - Führungsbuchse
    4 - Arbeitskolben und Kolbenventil
    5 - Arbeitszylinder mit Ölraum
    6 - Beweglicher Trennkolben
    7 - Gasdruck zur Abstützung der Druckdämpfkräfte


    Da ich keine Schnittzeichnung oder ähnliches zu den im S210 verbauten Sachs-Boge-Dämpfern im Internet finden konnte haben Tremheg und ich beschlossen, dass wir den Schnitt dann wohl selber mit der Flex vornehmen müssen, das ist dieses Wochenende in Maddinhausen passiert.
    Hierzu wurde zuerst die Gummimanschette entfernt, und anschließend oberhalb der Führungs- und Dichtungsbuchse rundherrum aufgetrennt.


    Anschließend konnte die Kolbenstange heraus gezogen werden und es kam folgendes Konglomerat zum Vorschein
    Hier zu sehen ist ein Arbeitskolben mit Federplättchen (folgend Shims genannt) für die Zugstufe unter der dicken Scheibe, auf der anderen Seite sind die Shims für die Druckstufe.


    Um das ganze noch weiter aufzudröseln haben wir die Mutter abgeflext und dann konnte man den Aufbau des Arbeitskolbens der Reihe nach auslegen.

    Die Anordnung, und Größe der hier zu sehenden Shims entspricht einem AVA-Dämpfer, bei AMG oder Elegance ist sie anders, hierrüber wird bestimmt ob der Dämpfer eher straff oder eher weich arbeitet.


    Das Bullenei stellt die Gasdruckkammer dar, und die Membran im Hydrospeicher ersetzt den Trennkolben Nummer 6.


    Anhand der Einzelteile kann man erkennen dass der sogenannte "Federzylinder" im Grunde doch nur ein Stoßdämpfer ist. Also wie funktioniert dann die Sache mit der Niveauregelung?


    Also fangen wir mal bei der Grundfunktion der Dämpfung an. Wenn das Rad einfedert bewegt sich die Kolbenstange mit dem Arbeitskolben im vollständig mit Öl gefüllten Arbeitsraum nach. Das Öl wird nach unten durch den Kolben gedrückt, je schneller umso stärker. Dabei bieten die Shims der Druckstufe einen definierten Widerstand um dem Rad einen besseren Bodenkontakt zu ermöglichen. Viel Druckstufe sorgt dafür dass sich ein Dämpfer "hart" anfühlt.
    Beim Ausfedern geht das Öl andersrum durch den Kolben und biegt entsprechend die Shims der Zugstufe auf. Das dient vor allem dazu das Rad zwar schnell der Fahrzeugkontur folgen zu lassen, aber nicht zu weit auszufedern. Eine ungedämpfte Feder neigt ja dazu erstmal über ihre alte NUllage hinaus zu Federn wenn sie einmal komprimiert wurde.
    Wenn jetzt aber der Kolben in den komplett mit Öl gefüllten Arbeitsraum eindringt, haben wir ein Problem. Das Öl lässt sich nicht komprimieren und muss irgendwo hin, denn der einfahrende Kolben braucht ja Platz. Und wenn der Kolben wieder ausfährt muss das Volumen, das er dann frei gibt, wieder mit Öl gefüllt werden. Hier kommt der Ausgleichsbehälter, unser Bullenei zum Zuge. Das Öl strömt aus dem Dämpfer in den Ölraum, komprimiert die Gasblase und wird wieder heraus gedrückt wenn die Kolbenstange ausfährt.


    So eine Gasblase hat, wenn sie komprimiert wird, noch den Nebeneffekt dass sie eine Federrate hat und somit als Zusatzfeder dient. Das dürfte jeder mit einem Luftballon oder auch einer Spritze nachvollziehen können. Versucht man das Luftpolster zusammen zu drücken geht das immer schwerer bis die Kraft nichtmehr reicht. Und diesen Teil macht sich die Niveauregelung zu Nutze.
    Wird der Kofferraum beladen sinkt er ein. Dadurch taucht die Kolbenstange tiefer in den Dämpfer ein und drückt das Öl über den Schlauch ins Bullenei. Dort wird die Membran immer komprimiert, und zwar solange bis die dabei steigende Federkraft des Gases (und auch die der Stahlfeder) die zusätzliche Gewichtskraft der Ladung ausgeglichen hat. Wenn der Kofferraum sich nichtmehr weiter absenkt sind diese Kräfte im Gleichgewicht.
    Jetzt wirft jemand den Motor an und die Tandempumpe fängt an Öl in den Arbeitszylinder zu pumpen. Dieses Öl braucht jedoch Platz. Den kann es sich entweder schaffen, indem es die Membran weiter komprimiert oder den Kolben aus dem Dämpfer schiebt. Da die Kräfte zwischen Ladung und Mebran jedoch ausgelichen sind, ist es für das Öl einfacher den Kolben aus dem Dämpfer zu schieben, das Heck hebt sich bis der Regelblock die Ölzufuhr stoppt.
    Hierfür ist der Arbeitskolben mit dem Dämpfungsplätchen übrigens unerheblich. Das Anheben und Senken würde auch ohne ihn funktionieren, da es nur über die Verdrängung des Kolbens geschieht. Thomas hat sich das schön mit einer verkorkten Flasche vor Augen geführt die man erhitzt. Da Vergrößert sich auch das Volumen des enthaltenen Gases und schiebt den Korken raus.


    Ich hoffe ich habe das jetzt soweit verständlich rüber gebracht. Wenn noch Fragen sind werde ich natürlich versuchen sie zu beantworten.
    Wer noch ein bißchen mehr über Dämpfer lesen möchte dem empfehle ich kfz-tech.de


    Ich habe es unter Fahrwerk/Räder/Bremsen erstellt, es darf aber auch gerne zur Datenbank verschoben werden.

    I am who I am
    Take it or leave it
    A rebel at heart
    No gods, no masters

    Einmal editiert, zuletzt von K.haosprinz ()

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